10 Warnsignale für systemische Überlastung

Wenn das System ins Wanken gerät – erkennen Sie die Signale, bevor es zu spät ist

Das Team wirkt müde. Die Stimmung ist angespannt. Irgendwie läuft es nicht mehr rund – aber Sie können nicht genau benennen, woran es liegt. Diese Ungewissheit kennen viele Führungskräfte. Dabei gibt es klare Warnsignale, die Ihnen zeigen: Hier ist systemische Überlastung am Werk.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache

342 Fehltage je 100 Beschäftigte verursachten psychische Erkrankungen 2024. Das ist ein Anstieg von 52 Prozent gegenüber vor zehn Jahren (DAK-Psychreport 2024). Besonders betroffen: junge Beschäftigte zwischen 20 und 29 Jahren mit einem Anstieg von 31 bis 34 Prozent bei psychisch bedingten Krankschreibungen.

Diese Zahlen zeigen: Systemische Überlastung ist keine Einzelerscheinung mehr, sondern ein strukturelles Problem, das alle Branchen und Altersgruppen erfasst.

Die 10 Warnsignale im Detail

1. Anstieg der Kurzzeiterkrankungen

Was Sie beobachten:

  • Häufung von 1-3 Tage-Krankschreibungen

  • Mitarbeitende fehlen montags oder freitags öfter

  • "Ich brauche mal einen Tag"-Meldungen nehmen zu

Was dahintersteckt: Kurze Auszeiten werden als Ventil genutzt, wenn die tägliche Belastung zu hoch wird. Das System signalisiert: Wir brauchen Erholung, finden sie aber nicht im normalen Arbeitsrhythmus.

2. Häufung bestimmter Diagnosen

Was Sie beobachten:

  • Mehr Krankschreibungen wegen "Belastungsreaktionen"

  • Anstieg von Anpassungsstörungen (+29% laut DAK-Report)

  • Häufung unspezifischer Beschwerden (Kopfschmerzen, Schlafstörungen)

Was dahintersteckt: Der Körper reagiert auf Dauerstress mit konkreten Symptomen. Belastungsreaktionen sind oft der erste Hinweis auf systemische Probleme.

3. Ungleichverteilung zwischen Teams

Was Sie beobachten:

  • Ein Team hat deutlich höhere Krankenstände als andere

  • Bestimmte Abteilungen "brennen aus"

  • Große Unterschiede ohne erkennbare sachliche Gründe

Was dahintersteckt: In der Kinderbetreuung sind es 586 psychisch bedingte Fehltage je 100 Beschäftigte, in der Altenpflege 573 Tage71 Prozent mehr als der Durchschnitt. Das zeigt: Bestimmte Arbeitsstrukturen erzeugen systemische Überlastung.

4. Veränderte Kommunikation

Was Sie beobachten:

  • Weniger informelle Gespräche in Pausen

  • E-Mails werden kürzer und sachlicher

  • Meetings werden vermieden oder abgekürzt

  • Konfliktthemen werden "vertagt"

Was dahintersteckt: Überlastete Teams ziehen sich zurück. Kommunikation wird auf das Nötigste reduziert, wichtige Abstimmungen unterbleiben.

5. Sinkende Innovationskraft

Was Sie beobachten:

  • Weniger Verbesserungsvorschläge

  • "Das haben wir schon immer so gemacht"-Haltung

  • Neue Projekte werden abgelehnt

  • Risikoscheu nimmt zu

Was dahintersteckt: Innovation braucht mentale Kapazitäten. Sind Teams überlastet, konzentrieren sie sich aufs Überleben – Kreativität bleibt auf der Strecke.

6. Fluktuation in Schlüsselpositionen

Was Sie beobachten:

  • Erfahrene Mitarbeitende kündigen unerwartet

  • Häufung von Kündigungen nach Krankheit

  • "Stille Kündigungen" (innere Distanzierung)

Was dahintersteckt: Wer kann, geht zuerst. Qualifizierte Mitarbeitende haben Optionen und verlassen überlastete Systeme früher.

7. Das Präsentismus-Phänomen

Was Sie beobachten:

  • Mitarbeitende kommen krank zur Arbeit

  • Hohe Anwesenheit, aber niedrige Produktivität

  • "Ich kann nicht fehlen"-Mentalität

Was dahintersteckt: Aus Angst vor zusätzlicher Belastung für Kollegen oder negativen Konsequenzen arbeiten Menschen auch krank. Das verschlechtert sowohl Gesundheit als auch Leistung.

8. Qualitätsprobleme nehmen zu

Was Sie beobachten:

  • Mehr Fehler und Nachbesserungen

  • Termine werden häufiger nicht eingehalten

  • Kundenbeschwerden steigen

  • Sicherheitsstandards werden vernachlässigt

Was dahintersteckt: Unter Stress leidet die Aufmerksamkeit. Was normalerweise automatisch funktioniert, wird fehleranfällig.

9. Polarisierung im Team

Was Sie beobachten:

  • Entstehung von "Durchhalte-" und "Burnout-Gruppen"

  • Weniger gegenseitige Unterstützung

  • Schuldzuweisungen nehmen zu

  • Solidarität bröckelt

Was dahintersteckt: Überlastung erzeugt Konkurrenz statt Kooperation. Teams zerfallen in Lager, statt gemeinsam Lösungen zu finden.

10. Führungskräfte zeigen Überlastungssymptome

Was Sie beobachten:

  • Mikromanagement nimmt zu

  • Entscheidungen werden aufgeschoben

  • Delegation funktioniert nicht mehr

  • Führungskräfte arbeiten deutlich länger

Was dahintersteckt: Überlastete Führungskräfte können ihr Team nicht mehr entlasten. Ein Teufelskreis entsteht.

So erkennen Sie systemische Muster

Einzelsymptome sind normal – problematisch wird es, wenn mehrere Warnsignale gleichzeitig auftreten oder sich verstärken. Achten Sie besonders auf:

  • Häufung: Treten 3-4 Warnsignale parallel auf?

  • Entwicklung: Verschlechtern sich die Signale über Wochen?

  • Verteilung: Sind mehrere Teams gleichzeitig betroffen?

Was jetzt zu tun ist

Sofortmaßnahmen (diese Woche):

  1. Bestandsaufnahme: Welche Warnsignale sehen Sie?

  2. Gespräche führen: Direktes Feedback von Schlüsselpersonen einholen

  3. Belastungsquellen identifizieren: Was ist anders als vor 6 Monaten?

Mittelfristige Schritte (nächste 4 Wochen):

  1. Systematische Analyse: Krankenstandsdaten auswerten

  2. Strukturen überprüfen: Arbeitsorganisation hinterfragen

  3. Kommunikation intensivieren: Regelmäßige Teamrunden einführen

Langfristige Lösung:

Systemisches BGM etablieren – nicht als Add-on, sondern als integraler Bestandteil Ihrer Führungs- und Organisationskultur.

Der entscheidende Punkt

Wie Professor Volker Nürnberg, Experte für betriebliches Gesundheitsmanagement, es formuliert: "Das betriebliche Gesundheitsmanagement kann helfen, die Widerstandsfähigkeit und Belastbarkeit der Organisation einer Firma zu stärken – und damit auch die der Belegschaft."

Systemische Überlastung entsteht nicht über Nacht – aber sie lässt sich auch nicht mit Einzelmaßnahmen lösen. Sie braucht einen ganzheitlichen Ansatz, der Strukturen verändert, nicht nur Symptome behandelt.

Ihr nächster Schritt

Erkennen Sie Warnsignale in Ihrem Unternehmen wieder? Dann lassen Sie uns gemeinsam eine systemische Analyse durchführen. Wir helfen Ihnen dabei, aus den Signalen konkrete Handlungsfelder abzuleiten und nachhaltige Lösungen zu entwickeln.

Denn die beste Intervention ist die, die verhindert, dass aus Warnsignalen Krisen werden.

Quellen:

  • DAK-Psychreport 2024: Entwicklungen der psychischen Erkrankungen im Job

  • DAK-Gesundheitsreport 2024: Arbeitswelt im Klimawandel

  • Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2023

  • Professor Volker Nürnberg, Experte für betriebliches Gesundheitsmanagement

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Was ist systemisches BGM?